Blockaden/Blackouts während den Prüfungen. Wie mein 10jähriger Klient während der Sitzung stolz erkennen durfte: „Ich bin nicht das Mobbingopfer, sondern der Junger der mich mobbt, ist das Opfer!“

Während der Sitzung durfte Mario erkennen, woher seine Blackouts kommen und sie erfolgreich hinter sich lassen

Aus dem Schwebepraxis Tagebuch:

Diese Sitzung wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Ich durfte vor ein paar Monaten den 10jährigen Mario in meiner Schwebepraxis begrüssen. Mario ist ein äusserst sympathischer Junge, der in seinem Leben schon einige Tage in Spitälern verweilen musste, jedoch stets gewissenhaft die schulischen Anforderungen erfüllte und somit nie eine Klasse wiederholen musste. Gesundheitlich durfte er sich erholen, jedoch bereiten ihm stetige Blackouts und Blockaden während den Prüfungen sorge. Die Eltern erzählen mir, dass er zu Hause vor allem in Mathe viel lernt und das Erlernte dann auch problemlos abrufen kann, während den Prüfungen ist jedoch plötzlich alles weg. Radiert, gelöscht, aus dem Kopf, wie Mario das Gefühl beschreibt. Seit der ersten Klasse wird Mario von seinen Mitschülern gemobbt. Leider hofften seine Eltern bis anhin vergebens auf Verständnis und Unterstützung der Schule. Diese Tatsache beobachte ich leider viel zu oft in meinen Sitzungen. Die Schuld wird den Opfern und ihren Eltern zugeschoben. Helikoptereltern ist dann oft die Bezeichnung, welche die Eltern zu hören bekommen. So auch bei Mario.


Wir sammelten einige an Gefühlsobjekte, welche mit den Blockaden zusammenhingen und schauten im Film seines Lebens nach, wo sie ihren Ursprung hatten, und entfernten sie. Die Lücken füllten wir mit positiven Gefühlen, Mario wählte jeweils Mut und Freude. Im sechsten Lebensjahr angekommen musste ich Mario nicht fragen, ob sich ein Gefühlsobjekt zeigt. Sein ganzer Körper verkrampfte sich. Er befand sich direkt in der Situation mit sechs Jahren. Seine Atmung war angespannt, es schien fast so, als würde man ihm die Atmung nehmen. Sein ganzer Körper änderte sich in Sekunden. Mit beiden Händen klammerte er sich an die Sessellehnen, sein Körper zitterte, war angespannt und mit einer klaren jedoch unfassbaren Stimme sagte er: „Sie schlagen auf mich ein, warum machen sie das? Warum fügen sie mir diesen Schmerz zu, ich habe nichts gemacht, warum lacht Paul, warum empfindet er Freude, wenn er andere animieren kann mich zu schlagen? Wie kann ein Kind so böse sein? Ich bin immer lieb zu allen. Ich möchte nur, dass man mich in Ruhe lässt. Warum hilft mir niemand, warum lachen allen, warum helfen mir die Lehrer nicht?“


Ich werde Marios Gesicht nie vergessen, dieser Schmerz, dieses Unverständnis, diese Wut. Um Mario zu beruhigen, besuchten wir einen schönen Ort, wo er sich sicher und geborgen fühlen durfte. Zusammen besuchten wir den Zürichsee mit vielen Schiffen. Ich liess ihn die Liebe und Geborgenheit seiner Eltern spüren. Ich erklärte ihm, dass wir weder die Kinder noch deren Eltern oder die Lehrpersonen ändern können. Was wir jedoch zusammen ändern können ist, dass er bewusst diese schrecklichen Momente in der Vergangenheit lässt, damit sie ihn in der Gegenwart nicht mehr blockieren und/oder anderweitig negativ beeinflussen. Lange erklärte ich Mario, was Vergebung bedeutet. Danach liess ich ihn Stühle vor sich visualisieren und er durfte sich alle Menschen vor sich vorstellen, welchen er vergeben muss. Ich war erstaunt, da Mario nur einen Stuhl besetzte. Er erklärte mir, dass er Paul vergeben muss, denn die anderen Kinder möchten dies eigentlich nicht machen, aber sie müssen es, ansonsten haben sie Angst, dass sie dasselbe erleben müssen. Paul sei böse, er ist der, der ihm schadet, ihn psychisch wie auch körperlich verletzt. Lange sprach Mario mit Paul, leise, für sich sagte er ihm alles, was er ihm sagen wollte. Mit jeder Sekunde wurde sein Körper entspannter, die Atmung normalisierte sich und die Hände wurden wieder entspannt. Tränen flossen ihm über die Wangen, nur dieses Mal aus Erleichterung. Als er fertig war, schaute er mich an und sagte: «Ich bin nicht das Opfer, sondern Paul ist das Opfer»


Ich fragte Mario, ob er nun wisse, woher die Blackouts kommen, und er sagte: «Ja, ich weiss es. Paul, der mich verletzt und so böse ist, der schreibt immer gute Noten, ist ein super Schüler. Ich bin jedoch das gute Kind, ich bin lieb und ehrlich, ich schlage nicht, ich hänsle nicht, ich schikaniere nicht. Paul ist böse und schreibt gute Noten. Ich dachte, ich muss besser sein als er, denn ich bin ein lieber Mensch. Nun weiss ich jedoch, dass ich der bessere Mensch bin und es mich nicht interessieren soll, was Paul für Noten schreibt. Auch wenn er gute Noten schreibt, ist er kein guter Mensch. Noten sagen nichts über den Charakter aus.» Dies war Marios persönlicher Aha- Moment.


Paul triggerte Mario vor jeder Prüfung. Er muss mit seinem Mobber im selben Klassenzimmer Prüfungen schreiben. Jedes Mal, wenn Prüfungen anstanden, dachte Mario, er müsse besser als sein Mobber sein. Bei jeder Prüfung kamen die schrecklichen Bilder, die negativen Gefühle und der körperliche Schmerz in Mario hoch und er konnte sich nicht mehr auf die Prüfung konzentrieren. Nun, da Mario mit dem Zürichsee einen Ort mit positiven Gefühlen jederzeit als Bild zur Verfügung hat, darf er mit diesen positiven Gefühlen an die Prüfung.
Die Sitzung mit Mario ist nun schon über ein halbes Jahr her. Seine Mutter berichtet mir vor kurzem, dass aus Mario ein starker und selbstbewusster  Junge geworden ist, er fröhlich und zufrieden in die Schule geht und auch so wieder nach Hause kommt. Die Noten haben sich verbessert und Mario darf seine Prüfungen konzentriert schreiben, Blackouts sind keine mehr vorgekommen. Er hat für sich einen Weg gefunden, mit den Mobbern umzugehen, indem er sie ignoriert. Er hat andere Kinder gefunden, mit welchen er die Pausen und seine Freizeit verbringen darf. Neu geht er regelmässig einem Gemeinschaftssport nach und hat dort auch viele neue Freunde gefunden. Bezüglich seiner Mobber findet Mario klare Worte: «Diese armen Kinder tun mir leid, ich hoffe, sie dürfen irgendwann erkennen, dass ihnen ihr negativer Charakter schadet.»

 

Ich möchte mich bei Mario und seinen Eltern für die Zustimmung zur Veröffentlichung der mindTV Sitzung mit Mario bedanken.

Zur Identitätsverschleierung wurden gewisse Angaben geändert.

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